Überraschungsabschiedsübung und -feier für unseren Kurt

27.06.2014, 20:22 Uhr

Freitagabend, 20:22Uhr, der 27.06.2014. Sirenenalarm. Ohne zu zögern springt Kurt auf. Läuft die Treppe vom Wohnzimmer zum Schlafzimmer herunter. Zügig, ruhig, entschlossen, wie immer, wie er es so oft schon getan hat. Noch bevor der Digitale Melder das erste Mal auslöst steht er in seinen Stiefel und zieht sich die Nomexhose an. Ein kurzes „Schatz, was steht auf dem Melder?!“ Doch die Schrift ist Eva zu klein. „Irgendetwas mit Rauch und Tankstelle!“ die Antwort.
Als Kurt die Treppe runter gelaufen kommt, trete ich aus der Wohnungstür. Der Vorteil eines Mehrgenerationenhauses. „Was gibt’s?!“ „Rauchentwicklung an der Total-Tankstelle!“
Wir laufen zu seinem feuerroten Opel Kadett. Wie jedes mal!
Der Motor startet. Wir fahren los. Auf der Friedrich-Ebert-Straße, plötzlich Blaulicht. Ein Streifenwagen kommt uns mit Blaulicht entgegen und zieht vor uns auf die Gegenspur und kommt halb auf der Straße und Halb auf dem Gehweg vor uns zum stehen. Später erzählt Kurt, als er das gesehen hatte, dachte er, „das wird ein dickes Ding, wenn die PI schon hier vorne absperrt!“ Doch der Streifenwagen hat mit dem Alarm nichts zu tun.
Zahlreiche Verkehrsteilnehmer bremsen uns aus, ziehen kurz vor uns auf die Straße um dann von Schrittgeschwindigkeit langsam zu den erlaubten 50Km/h zu beschleunigen. Wie immer.
Die Ampeln auf der Rheinstraße sind aus, so soll der Verkehrsfluss schneller ablaufen und den anrückenden Kameraden ein schnelleres erreichen des Gerätehauses, der Hauptfeuerwache Nierstein-Oppenheim, ermöglichen. Doch viele Verkehrsteilnehmer aus den Nebenstraßen nehmen dies nicht wahr. Sie ziehen von uns rein. Sie bremsen uns aus. Ein kurzes Winken in den Rückspiegel das sagen soll „War ja nicht so schlimm, stell dich mal nicht so an, dann kommst du eben etwas später da hin, wo du hin willst!“. Alles wie immer.
Wir kommen an der letzten Ampel am Bahnhof vorbei. „Gut, kein Rauch über der Tankstelle!“ sagt Kurt erleichtert, schiebt aber den Satz nach:“Gibt es nicht auch eine Total-Tankstelle in Nierstein, vielleicht ist ja die gemeint?!“ Aber ich sehe Rauch. Zwar nur dünne Schlieren aber als wir die Tankstelle passieren wird er mehr. „Doch da ist was, da kommt Rauch hoch!“ sage ich.
Hundert Meter weiter geht es zur Einfahrt zum Gerätehaus. Gegenverkehr. Keiner lässt uns durch. Wir warten eine Lücke ab aber es kommt keine. Kurt ist voll auf den Verkehr konzentriert. Ein knapper Blick auf den Parkplatz, ob schon alles zu geparkt ist, dann wieder auf den Gegenverkehr. Alles wie immer, alles wie schon so oft. Doch dann dämmert es Kurt. Er realisiert was er eben nur beiläufig gesehen und nicht gleich verarbeitet hatte. Die Anspannung legt sich unmittelbar in Bruchteilen von Sekunden. „Ihr seid so blöd!“, ist das einzige was er sagen kann. Er ist überwältigt, denn auf dem Hof stehen alle Kameraden, alle seine Kameraden, voll ausgerüstet, vor den aufgestellten Fahrzeugen. Denn Heute ist nicht alles wie immer, ab Heute ist alles anders.
Bei der ersten Möglichkeit, fährt Kurt rüber auf den Parkplatz. Ich schau ihn an und sag:“Du hast ja wohl wirklich nicht gedacht, dass wir dich einfach so mit einer normalen Monatsübung, als letzter Übung abspeisen!?“
Kurt will sich gleich bei den Kameraden bedanken. Doch Markus empfängt uns mit den Wort:“ Es ist Alles bereit, deine Leute warten auf ihre Befehle!“ Alle Fahrzeuge sind voll besetzt, nur auf dem Tanker, auf unserem ersten Fahrzeug ist noch der Gruppenführerplatz frei. Kurt will schon einsteigen, da fällt ihm auf, dass er ja seine Einsatzjacke und seinen Helm vergessen hat.
Schnell nochmal zurück, die Sachen holen und dann geht es schon los. Über Funk koordiniert er die Anfahrtswege der Fahrzeuge. TLF direkt zur Tankstelle über den Fahrradweg, die DLK soll von der anderen Seite kommen. LF8/6 mit Mehrzweckboot und der Mannschaftstransporter mit Rettungsboot zur Slipstelle im Hafen. Dann geht er auf Erkundung. An der Bootstankstelle wird er schon erwartet. Thomas unser Wehrführer, Ralf der stellvertretende Wehrleiter, unser Bürgermeister Herr Penzer, alle Alterskameraden, die Jugendfeuerwehrleute sind mit dem Einsatzleitwagen gekommen, die Männer von der Nebenwache Spatzennest treffen gerade mit dem Altstadt-LF und dem Gerätewagen-Hochwasser ein, zahlreiche Ehegattinen und Kinder stehen oben am Geländer der PKW-Tankstelle und mitten unter Ihnen seine Eva. Sie lacht schelmisch. Bevor Kurt weitermacht fragt er sie: „Hast Du davon gewusst!?“ Doch Eva lacht nur.
Die Übung selbst läuft super. Alle arbeiten Hand in Hand. Jeder wird eingesetzt und erledigt seine Aufgaben hervorragend. Kurt ist sichtlich stolz. Er hat alle die arbeitenden Kameraden von klein auf in seine Feuerwehrfamilie hineinwachsen sehen. Vielen ist überhaupt nicht klar, dass die Feuerwehr Oppenheim in vielen Belangen durch Kurt zu dem gemacht wurde was sie Heute ist. Die Boote, das Hubrettungsgerät, das Fahrzeugkonzept, die ausgeprägte Ausbildung. An all dem war Kurt mit- oder sogar federführend beteiligt.
Dem entsprechend groß fällt dann auch der Dank für Kurt aus. Vor dem anschließenden Grillen hält Herr Penzer eine Dankesrede. Er wollte eigentlich die Ausbildungen und Auszeichnungen von Kurt vorlesen, doch der mitgebracht Ausdruck des Verwaltungsprogramms ist einfach viel zu umfangreich. Also hebt er nur das goldene Feuerwehrehrenzeichen hervor und berichtet von der Zusammenarbeit mit Kurt. Als er ihm dann die offizielle Entpflichtungsurkunde und ein Geschenk der Mitarbeiter der Verbandsgemeinde überreicht, ist auch der altgediente und erfahrene Politiker sprachlos, als Kurt einen mehr minütigen Applaus mit stehenden Ovationen bekommt. Nur langsam ebbt der Applaus ab. Dann kann sich Thomas und sein Stellvertreter Peter bei Kurt bedanken. Nachdem Herr Penzer Kurt schon eröffnet hat, dass er auch offiziell weiterhin bei der Ausbildung mithelfen darf, wird er von Thomas und Peter noch offiziell zum Ehrenhauptbrandmeister der Feuerwehr Oppenheim gemacht. Damit ist sein übertritt in die Alters- und Ehrenabteilung vollzogen. Die anderen Alterskameraden rufen ihm lachend zu, dass sein Platz jetzt bei ihnen am Tisch ist. Doch dort kommt er erst gar nicht hin, bevor er sein Poloshirt mit dem entsprechenden Schriftzug bekommen hat. Kurt will sich schon bedanken, doch zuvor noch sein langjähriger Freund Ralf an der Reihe. Der stellvertretende Wehrleiter bedankt sich für die tolle Zusammenarbeit und die super Zeit in der Kreisausbildung. Ralf und Kurt arbeiteten insgesamt 25Jahre Seite an Seite bei der Truppmannausbildung.
Die Wehrführung aus Nierstein waren natürlich auch gekommen. Klaus und Jockel hatten sich Kurt schon vor den offiziellen Ansprachen zur Seite genommen und ihm unter sechs Augen für die tolle Zusammenarbeit und Kameradschaft gedankt
Dann ist Kurt an der Reihe danke zu sagen. Danke für die schöne und intensive Zeit. Danke für das Leben, das Feuerwehrleben mit seiner zweiten Familie. Nicht viele hatten das Glück und das Privileg bis zum letzten Tag in der Einsatzabteilung bleiben zu dürfen. Er habe trotz Stress und vieler Arbeit jeden Tag genossen. Danke will Kurt aber auch seiner Eva sagen. Ohne eine so tolle Frau, wie seine Frau, ist so eine aufopferungsvolle Nebentätigkeit, wie eine Freiwillige Feuerwehr nicht möglich!
Den harten Männern stehen Tränen in den Augen.
Der Rest des Abends wird entspannt ausklingen gelassen. Um zwölf Uhr, singen dann noch einmal alle einen Geburtstagslied für Kurt. Jetzt ist es soweit das 63.Lebensjahr ist erreicht und damit 44 Jahre Einsatzdienst bei der Feuerwehr Oppenheim.

Danke Kurt für Alles was du gemacht hast. Danke für die tolle Zeit. Danke, dass du zu jeder Zeit zu uns deiner Feuerwehrfamilie gestanden hast, auch wenn es oftmals schwer und belastend war. Danke!

Informationen:

Personen: 50 (Oppenheim)

Dauer: 4.5 h

Klassifizierung: SL

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